analog
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Anmeldungsdatum: 02.01.2003
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Verfasst am:
So Jun 22, 2003 9:23 am Der Plattenspieler - Justierung |
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Bevor der ein oder andere im folgenden Lust verspürt, seinen vielleicht noch vorhandenen Plattendreher hervorzukramen, vergewissert euch, dass euer Verstärker noch einen Phonoeingang besitzt (MM oder MC oder für beides), ansonsten benötigt ihr einen externen Phonovorverstärker.
Weitere Voraussetzungen für die im folgenden beschriebenen Justierarbeiten sind:
- eine kleine Pinzette
- nichtmagnetische Schrauben und evtl. Muttern (meist dem TA-System beigefügt)
- evtl. einen kleinen Spiegel
- eine Testplatte (Hifi News Analogue Test LP, kann ich wärmstens empfehlen) ist kein Muss, aber vereinfacht vieles.
- eine Einstellschablone
- eine Tonarmwaage
- ein absolut waagerecht stehendes Laufwerk!!!, zu überprüfen mittels Libelle oder kleiner Wasserwaage
- und nicht zuletzt etwas Geduld und eine ruhige Hand
1. Installation des TA-Systems
Sollte der Plattenspieler bereits mit einem TA-System ausgestattet sein, ist es manchmal dennoch sinnvoll die im folgenden beschriebenen Einstellungen zu überprüfen. Erfahrungsgemäß ist auch bei bereits fertig aufgebauten Plattenspielern die Einstellung von System, Auflagekraft und Antiskating nicht immer korrekt.
Sollte das einzubauende TA-System einen Nadelschutz haben, bleibt dieser erst einmal am TA, um die Nadel vor mech. Belastungen zu schützen.
Das System wird mittels der (hoffentlich beigefügten) Schrauben an den Tonarm bzw. die Headshell angeschraubt und zwar so, dass man das System ohne zu großen Kraftaufwand innerhalb der länglichen Aussparungen der Headshell noch verschieben kann. (Foto)
Die Schrauben werden erst fest angezogen, wenn sämtlich Einstellungen erfolgt sind.
2. Anschlüsse
Der Arm sollte für diese Arbeiten arretiert sein.
Die feinen Litzen des Tonarms sind meist farblich codiert und werden vorsichtig an das System mittels Pinzette auf die (auch meist entsprechend farblich codierten) Stifte des Systems aufgesteckt.
Blau = Erdung links
Grün = Erdung rechts
Weiß = linker Kanal
Rot = rechter Kanal
Manchmal müssen die kleinen Pins des Tonarms etwas geweitet oder zusammengedrückt werden, um einen innigen Kontakt zu gewährleisten. Sie sollten auf jeden Fall fest sitzen.
3. Auflagegewicht
Sollte noch der TA-Schutz auf dem System sitzen, muss er jetzt für die folgenden Einstellungen abgenommen werden.
Die optimale Auflagekraft = tracking weight ist meist innerhalb best. Vorgaben durch den Hersteller angegeben (z.B. 1,5 - 2g). In vielen Fällen ist es sinnvoll die höchste angegebene Auflagekraft, in diesem Beispiel 2g einzustellen, da ein inniger guter Kontakt zur Plattenrille entscheidend ist. Wenn die Nadel den Kontakt zur Rille bei zu niedriger Auflagekraft verliert, straft sie uns mit höheren Verzerrungen und könnte das Vinyl beschädigen.
Zur Einstellung der Auflagekraft haben sich die Shure SFG-2 oder die günstigere Ortofon gut bewährt. Erhältlich z.B. bei www.dienadel.de/hifi/.
Dort zu finden unter Plattenspielerzubehör -Tonarmwaagen.
Bevor wir mit der Tonarmwaage die Auflagekraft einstellen, balancieren wir den Arm erst einmal aus. Das Gegengewicht des Tonarms wird dabei so eingestellt, dass der Tonarm, den wir mittels mittels Lift von seiner Armstütze abheben, zwischen Teller und Armstütze exakt waagerecht schwebt. Der Arm schwingt dann frei um seine Mittellage. Bitte bei dieser Arbeit mit größter Vorsicht vorgehen. Abgebrochene oder beschädigte Nadeln sind nicht selten.
Übrigens sollte auch die Antiskating keinerlei Kräfte auf den Arm einwirken lassen. Sie ist auf 0 zu stellen.
Zur Antiskating vereinfacht noch folgendes:
Zwischen Nadel und Platte entsteht Reibung, die Rille will den Arm mitziehen. Der Lagerpunkt hält dagegen. Dies kann er allerdings nur in der Richtung Lagerpunkt - Nadelspitze. Er hebt damit einen Teil der Reibungskraft auf. Übrig bleibt die sog. Skatingkraft. Diese wirkt stets nach innen und drückt die Nadel immer auf die innere Rillenflanke. Diese ungleichmäßige Abtastung würde zu Verzerrungen führen. Dies soll die Antiskating - Einrichtung verhindern. Sie erzeugt entweder über Federkraft, über Gewichte und Umlenkrollen oder rein elektronisch eine konstante Kraft nach aussen, die im Idealfall die Skatingkraft aufhebt. Die Antiskatingkraft muss wie die Auflagekraft des Tonabnehmers einstellbar sein, da eine höhere Auflagekraft eine höhere Reibung und damit eine höhere Skatingkraft bewirkt.
Die Tonarmwaage wird nun wie auf dem Foto auf den Plattenteller gelegt.
Ein Schieben des Gegengewichts in Richtung Headshell bewirkt eine Zunahme des Auflagegewichts. Die Nadel wird auf den Messpunkt abgesenkt und das Gegengewicht verschoben bis wir eine vorerst ungefähr richtige Auflagekraft eingestellt haben (An dieser Stelle kommt es noch nicht auf 0,1g an).
Natürlich muss die Nadel immer wieder von der Waage abgehoben werden, wenn das Gegengewicht verstellt wird. Also immer wieder absenken mittels Lift auf den Messpunkt, Gewicht ablesen und falls noch Korrektur nötig ist...same procedure... und bitte nicht gleich wieder zum CD Bläher schielen
4. Armhöhe
Nach Einstellung der Auflagekraft sollte die sog. Tonarmhöhe kontrolliert werden und gegebenenfalls eingestellt werden. Dazu legen wir eine normale (nicht unbedingt 180 oder 200g Pressungen) Schallplatte auf den Teller und senken den Tonarm auf die Platte ab. Von der Seite betrachtet, sollten Tonarm und Plattenteller parallel zueinander verlaufen. Wer es genau haben will, kann sich auch eine Pappschablone mit Millimeterpapier bauen oder ein Geodreieck benutzen und dieses dann hinter den Tonarm auf die Platte stellen und damit die Parallelität ablesen.
Die korrekte Armhöhe hat etwas mit dem sog. VTA = Vertical Tracking Angle = Vertikaler Spurfehlwinkel zu tun. Dazu evtl später mehr.
Verläuft der Arm nicht parallel, kann man bei vielen Tonarmen mittels Lösen einer kleinen Schraube irgendwo am Tonarmschaft den Tonarm entsprechend nach oben oder unten verschieben. Manche Hersteller wie z.B. Rega bieten diese Möglichkeit nicht. In diesem Fall lässt sich durch entspr. Unterlegscheiben bzw. Abstandshalter die Höhe verändern.
5. Justage von Überhang und Kröpfung
Der Überhang gibt an, um wieviel der über die Plattentellermitte geschwenkte Tonarm mit der Abtastspitze über die Plattentellermitte hinausragt.
Der Kröpfungswinkel ist der Winkel zwischen Tonabnehmerachse und Verbindungslinie Abtastspitze - Schwenkachse.
Beim Herstellen der Plattenmatrizen läuft der Schneidstichel ähnlich dem Tonabnehmer bei Tangentialplattenspielern auf einer Geraden immer im rechten Winkel von außen zur Plattenmitte. Ein konventioneller Tonarm ist dagegen in einem festen Drehpunkt gelagert. Daher beschreibt die Nadelspitze während des Laufs von außen nach innen einen Kreisbogen. Sie tastet die Rille also fast nie im gleichen Winkel ab, wie sie der Schneidkopf gegraben hat. Die Winkelabweichung heißt tangentialer Spurfehlwinkel. Ein "Trick" verhilft dazu, diesen Fehlwinkel zu verkleinern und an ein oder zwei Stellen exakt die tangentiale Abtastung, bei der der Fehlwinkel null Grad beträgt, zu erreichen: Das vordere Ende des Tonarms wird um einen typischen Winkel - den Kröpfungswinkel geknickt und die Strecke Tonarmlagerpunkt bis Nadelpunkt länger gemacht als die Entfernung vom Lagerpunkt des Tonarms bis zur Plattenmitte. Um wieviel drückt dann der sog. Überhang aus.
Voraussetzung für die folgende Einstellung: Das TA-System sollte noch gerade so auf der Headshell verschoben werden können. Die Schrauben müssen einigermassen fest sein, aber nicht zu fest, damit wir keine zu hohe Kraft aufwenden müssen.
Die Überhanglehre oder Justierschablone wird jetzt über die Plattentellerachse gesteckt. Wer die oben beschriebene Testschallplatte besitzt, hat schon eine . Es gibt aber auch einige empfehlenswerte Schablonen im Internet, die man sich ausdrucken kann. Parallele Linien ermöglichen ein recht genaues Ausstanzen des Zentrierpunktes. Bitte beim Ausstanzen sehr genau sein. Es kommt auf jeden Millimeter an.
Hier einige Adressen: http://www.enjoythemusic.com/freestuff.htm
und die sehr gute bei http://www.tanker.se/lidstrom/eng/
Die Nadel wird nun exakt auf den 1. Kreuzungspunkt (siehe Foto) aufgesetzt. Sollte das System nicht mit den aufgezeichneten Linien parallel laufen, ist es soweit in seiner Achse zu verschieben bis dies der Fall ist. (Ich hoffe euer System hat parallele Orientierungspunkte, sonst kann man sich evtl. mit einer dünnen Bleistiftmine, die mittels Tesa aufgeklebt wird, an den Linien orientieren.)
Die gleiche Prozedur wiederholt sich beim 2. Messpunkt. Erst wenn an beiden Messpunkten Parallelität herscht, können wir aufatmen und uns erst einmal die Beine vertreten, um wieder "locker" zu werden. Ich weiß, der CD Bläher starrt uns wieder an, nicht wahr?
Danach können wir die Schrauben handfest anziehen. Dabei halten wir das System mit einer Hand fest, während wir mit der anderen die Schrauben anziehen. Die Kraft, die wir dabei ausüben, kann unsere vorherigen Bemühungen wieder zunichte machen. Bitte die Einstellungen wieder überprüfen. Wenn noch alles stimmt, können wir zum nächsten Schritt übergehen, wenn nicht: same procedure...
6. Azimuth
Der Azimuth bedeutet nichts anderes, als dass die Nadel exakt senkrecht in der Rille stehen sollte. Ist dieser nicht korrekt, ist das elektrische Ausgangssignal im Monotest ungleichmäßig, d.h. der Kanal mit dem stärkeren Kontakt zur Rille, hat auch ein stärkeres Ausgangssignal.
Man kann dies optisch prüfen, indem man einen kleinen Spiegel unter die Nadel legt und von vorne oben schaut ob das Spiegelbild sich ohne Knick fortsetzt, d.h. das Spiegelbild exakt fluchtet. Voraussetzung wäre natürlich, dass der Diamant auch exakt vom Hersteller montiert ist, was mit bloßem Auge nicht erkennbar ist.
Mit der erwähnten Testschallplatte (Seite 2, track 5) können wir den korrekten Azimuth auch gehörmäßig und vor allem richtig einstellen.
Nicht bei allen Tonarmen lässt sich der Azimuth einstellen. Evtl. ist diese Vorrichtung in den Herstellerangaben beschrieben.
7. Feineinstellung der Tonarmhöhe, Auflagekraft und Antiskating
Die Auflagekraft sollte jetzt korrekt eingestellt werden.
Die Feineinstellung der Tonarmhöhe kann nur gehörmäßig erfolgen und hängt auch vom jeweiligen System ab. Der VTA ändert sich mit der "Dicke" der Platte. Ausgehend von der oben beschriebenen parallelen Ausrichtung kann sich ein Verändern der Tonarmhöhe folgendermaßen auswirken (als Musikmaterial eignen sich sehr gut Frauenstimmen oder bassorientierte Titel): Verschiebt man den Arm zu sehr in die Höhe werden Stimmen leicht scharf und spitz, während der Bass irgendwie blutleer und ohne Korpus wirkt. Verschiebt man den Arm zu weit nach unten, können Stimmen matt und langweilig klingen, während der Bass zu füllig und wenig dynamisch wirkt. Meines Erachtens genügt die parallele Ausrichtung bei einer normalen Platte völlig. Theoretisch müsste ich ja bei jeder Platte den VTA neu einstellen, aber das ist mir zu mühselig. Aber wer hier experimentieren will... bitte!
Die Antiskatingkraft kann grundsätzlich erst einmal entsprechend dem Auflagegewicht eingestellt werden. Sollte eine Skala an der Antiskating vorhanden sein, ist das natürlich einfach, aber auch nicht unbedingt genau. Die Skatingkraft variiert sowieso über den gesamten Lauf einer Platte. Mit Hilfe der Testschallplatte kann die Antiskating -wiederum gehörmäßig mittels Testsignalen- sehr einfach eingestellt werden.
Hier ein link zu einem interessanten Artikel von Laura Dearborn:http://www.vandenhul.com/artpap/turntabl.htm
Die Test-LP ist erhältlich u.a. bei:http://www.dacapo-records.de oder bei http://www.dienadel.de/hifi und dort unter Plattenspielerzubehör -Analogtuning (ca. 47€)[img][/img]
_________________ Ciao Jan
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